Lernorte neu denken, fühlen und umgestalten
Moderation
Sigrid Stjerneby
Ergebnisse in Worten
Farbe und Gestaltung im Schulbau
Unser wahres Analphabetentum ist nicht das Unvermögen, lesen und schreiben zu können, sondern das Unvermögen, schöpferisch tätig zu sein. Gerade in der Architektur für junge Menschen, d.h. bei Schulen, Kinderhäusern usw., ist bisher unglaublich gesündigt worden. Ganz einfach durch die aggressive, nivellierende Architektur, in der unsere Jugend die wichtigsten Jahre ihres Lebens verbringen muss. Die seelische Architektur, die von solchen Schulen ausgeht, übersteigt in der Konsequenz fast die seinerzeitige körperliche Maßregelung. Die bleibenden psychischen Schäden für die junge Generation sind ungeheuer. Kinder können sich noch weniger gegen eine vorgeplante seelen- und lebenstötende Umwelt wehren als Erwachsene. Friedensreich Hundertwasser, 1990
Was Herr Hundertwasser in dem Zitat ausspricht, ist in den letzten Jahren in empirischen Studien, nicht nur in Deutschland, untersucht worden. 1) Architektur spricht eine Sprache, der Mensch antwortet darauf und wenn er nicht mehr antwortet dann wird er entweder sprachlos oder er reagiert aggressiv. Das Schulgebäude, als Ort des Lernens, ist in der Vergangenheit in den verschiedensten Bauformen realisiert worden. Wir stehen zum Teil mit einer gewaltigen Altlast an Bausubstanz, die den heutigen Bedürfnissen nur sehr begrenzt entspricht und stehen, wenn es zu Neubauten kommt, vor der Frage: wie soll eine zeitgemäße Schularchitektur aussehen? Vor allen Dingen aber, wer hat die Kompetenz zu sagen, wie sie aussehen soll? Kann ein Architekt, der Supermärkte und Bankgebäude plant, auch eine Schule bauen? Können Bauamtsplaner und Fachplaner entscheiden, wie Schule aussehen soll? Natürlich können sie, denn sie haben ihre Kompetenzen, aber Kompetenzen auf ihrem Fachgebiet. Wo bleiben die Pädagogen, die Eltern, die Kinder, mit ihren Erfahrungen und Bedürfnissen? Schulentwicklung kann nicht alleine eine Sache von neuen Lernformen sein, sie muss auch neue, zeitgemäße Lernräume schaffen. Die Ganstagschule sagt ja schon von sich, dass den ganzen Tag Schule ist. Das heißt 70 bis 80 Prozent des Tages bewegt sich der Mensch (Lehrer und Schüler) in gebauten Räumen. Welche Bedeutung haben da die Bauformen, die Funktionalität, die Farben, das Licht, die Materialien? In Schweden sagt man: der Raum ist der dritte Erzieher. Wie kommen wir nun dazu, diesen Anforderungen gerecht zu werden? Man könnte sich Anregung z.B. aus der freien Wirtschaft holen. Dort werden Teams gebildet, die nach ihren spezifischen Fachrichtungen ausgerichtet, ihr Wissen und Können in den Dienst der Sache stellen. Das bedeutet, dass auch ganz andere Aspekte als bautypische in die Schulbaugestaltung einfließen. Es muss erlebt werden von allen Beteiligten, dass die Architektur den Menschen dienen sollte, dass die Gestik der gebauten Umwelt uns erzieht. Wir erleben unsere Umwelt mit den Sinnen. Sinnes-wahr-nehmung schafft Bewusstsein. Wenn eine Fassade, glatt, aus Stahl und Glas, vielleicht sehr funktionell und modern gebaut, sich unannahbar, selbstherrlich, „weil die ganze Welt sich in ihr spiegelt“ darstellt, ist das für den Menschen, der so einem Gebäude gegenübersteht, eher eine abweisende Geste. Natürlich bewegen wir uns täglich auf solche Gebäude zu, „wir fühlen uns vielleicht nicht wohl“, aber fragen nicht warum. Ähnlich ist es im Inneren der Gebäude, da werden die anderen Sinneswahrnehmungen wie der Geruch, die Akustik, die Raumproportion usw. noch deutlicher angesprochen. Eine harmonische Gestaltung ruft nicht nach Sensation, der Mensch steht im Mittelpunkt. Eine harmonische Gestaltung ruht in sich, ist abwechslungsreich, warm in der Ausstrahlung, gibt Schutz, aber engt nicht ein. Das sind Gestaltungskriterien, die Professor Rittelmeyer aus Schülerbefragungen herausgefiltert hat. 2) Der Anspruch unserer Arbeit liegt in einer fein differenzierten Gestaltung, ähnlich wie bei einem Musikstück, einer Symphonie. Dort gibt es ein Thema, das hat eine „ Farbe“, eine Stimmung. In vielen Variationen klinkt es auf: hell, ernst, heiter. Nie vergisst es seine Bestimmung. Doch lässt sich keine Komposition schaffen, ohne die Grundlage der Musiktheorie und dem musikalischen Empfinden. Auch in der Raumgestaltung ist ein Grundwissen nötig, z.B. von der Wirkung der Farben und Formen, der Materialien, der Lichttechnik, der Akustik, gepaart mit einem künstlerischen Gespür. Da die Gestaltung aber nicht um ihrer selbst Willen gemacht werden sollte, ist der enge Austausch mit dem Nutzer nötig. Für uns ist dieser Kontakt sehr bedeutsam, „die Chemie“ muss stimmen. Ein Grundvertrauen muss zwischen uns leben, denn Planen ist ein kreativer Prozess mit Bewegung, Besinnung und Verwandlung. Leitkriterien für unseren Gestaltungsprozess sind: die Funktionalität, die Schönheit, die Qualität und die Kosten. Die schönste Planung aber bleibt ein Traum, wenn sie nicht umgesetzt werden kann. In dem Vortrag wurden anhand von Bildbeispielen erläutert, wie überwiegend im Altbau Schulsanierung durchunsere Mithilfe realisiert wurde.
Sigrid Stjerneby Künstlerin
John Stjerneby Dipl. Ing.
1)
- H. Kükelhaus: Unmenschliche Architektur. Von der Tierfabrik zur Lernanstalt. Köln,1983.
- Institut für Schulbau der Universität Stuttgart (Hrsg.): Untersuchungen zur Qualität gebauter Schulumwelt. Villingen 1977
- B. Gollnow/V. Petersen: Neue Schulbauten. Architektonische Qualitäten und Nutzung an zehn Schulen. Eine empirische Untersuchung. Schulbauinstitut der Länder, Berlin 1976;
- H. Klunker: Schulbaudiskussion und Schulbauforschung in Deutschland. In: Bildung und Erziehung 47(1994), S. 5-17.
- M. Göhlich: Die pädagogische Umgebung. Eine Geschichte des Schulraums seit dem Mittelalter. Weinheim 1994;
- M. Noack: Der Schulraum als Pädagogikum. Weinheim 1996.
- G. I. Earthman: The Quality of School Buildings, Student Achievement, and Student Behavior. In: Bildung und Erziehung 52 (1999), S. 353 - 372.
- C. K. Tanner/A. Lang-ford: The Impact of Interior Design Elements as they Relate to Student Outcomes. School Design and Planning Laboratory, University of Georgia (U.S.A.), 2002.
- Josef Watschinger, Josef Kühebacher: Schularchitektur und neue Lernkultur, Bern 2007
- Wilfried Buddensiek: Lernräume analysieren und gestalten. Deutscher Sparkassenverlag, Stuttgart 2007
- Wüstenroth Stiftung: Schulen in Deutschland, Neubau und Revitalisierung, Karl Krämer Verlag Stuttgart + Zürich
- Martin Brauns: Ein Plan für Schulen der Zukunft. Books on Demand GmbH, Norderstedt
2)
- Chr. Rittelmeyer: Schulbauten positiv gestalten. Wie Schüler Farben und Formen erleben. Wiesbaden 1994.